Entscheidungen und Rationalität – Wirtschaftspsychologische Gesellschaft (2024)

Kommen wir zur Sicht der Psychologie: Entscheidungen von Menschen, wie rational sind diese? Welche Arten von Entscheidungen lassen sich abgrenzen? Das vorangehenden Kapitel hat den festen Glauben an ein rationales Menschenbild bei Entscheidern in Politik und Wirtschaft dargestellt. Dem zum Trotz hat sich klar gezeigt, dass menschliches Entscheidungsverhalten wesentlich weniger der Rationalität folgt als viele glauben. Psychologie als Wissenschaft kann einen Beitrag dazu leisten, zu einem realistischen Bild menschlichen Entscheidungsverhaltens zu kommen. Das zeigt dieses Kapitel. …

In diesem Beitrag:

Arten von Entscheidungen

Die Psychologie differenziert grob mehrere Arten von Entscheidungen. Diese sind:

extensive Entscheidung

Die extensive Entscheidung (auch echte Entscheidung genannt) kommt dem hom*o oeconomicus tatsächlich relativ nahe.
Bei extensiven Entscheidungen sammeln und verarbeiten Menschen umfangreich Information, wägen sorgfältig zwischen mehreren Alternativen und deren Ausprägungen auf verschiedenen Variablen ab. Meist finden diese Entscheidungen bei Produkten mit hohem Involvement (also von hoher Bedeutung für den Entscheider) statt. So wird bei den meisten Menschen ein Autokauf in einem extensiven Entscheidungsprozess ablaufen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Entscheidung am Ende besonders rational ist – sie ist aber aufwändig. Im Gegenteil, auch bei extensiven Entscheidungen (etwa einem Autokauf) spielen Emotion und andere Einflüsse eine starke Rolle. Auch sonst sind die Annahmen des hom*o oeconomicus bei weitem nicht erfüllt. Bei den meisten Entscheidungen wird kein Mensch alle Alternativen mit allen Variablen kennen und dann auch noch logisch und sinnvoll miteinander vergleichen können. Das Gedächtnis kann nur eine sehr begrenzte Anzahl an Inhalten gleichzeitig behalten und verarbeiten. Dazu kommt, dass diese Entscheidung ein sehr seltenes Ereignis im menschlichen Entscheidungsverhalten ist.

limitierte Entscheidung

Wesentlich häufiger als sogenannte extensive Entscheidungen sind limitierte bzw. eingeschränkte Entscheidungen.
Hier wird aus einer sehr begrenzten Anzahl aus Alternativen schnell entschieden, ohne erst viel zu vergleichen. So wird man beispielsweise an einem Einkaufsregal vielleicht vier verschiedene Zahncremes vorfinden, kurz den Preis und den Inhalt vergleichen und dann schnell eine mitnehmen. Wesentlich mehr Entscheidungen von Menschen als Konsumenten oder Mitarbeiter sind limitiert als extensiv. Auf gewisse Weise ist das auch durchaus ökonomisch. Es macht einfach aus Zeit und Ressourcengründen keinen Sinn, bei eher unwichtigen Dingen, die man schon oft gemacht hat und kennt, sich jedes Mal erneut „den Kopf zu zerbrechen“ und alle Alternativen durch zu denken, bevor man sich entscheidet.

automatisierte Entscheidung

Viele Entscheidungen laufen ohne bewusste Entscheidungsfindung ab, man spricht hier von habitualisierten bzw. automatisierten Entscheidungen.
Beispielsweise steht man jeden Morgen auf und putzt sich die Zähne mit seiner Zahncreme und hat später einen Kaffee zum Frühstück. Hier werden sich die meisten Menschen keine Gedanken mehr machen, ob sie sich die Zähne putzen sollen, ob sie ohne Zahncreme die Zähne putzen und so weiter. Auch Kaufentscheidungen sind häufig weitestgehend automatisiert, Menschen haben dann häufig ihre Stammmarken und legen diese in den Einkaufswagen, ohne zu überlegen. Ungefähr die Hälfte des täglichen Verhaltens von Menschen ist durch derartige Gewohnheiten geprägt (Wood, Tam und Witt, 2005). Diese Art der Entscheidung ist daher sicher die häufigste im Konsumverhalten aber auch im Verhalten von Mitarbeitern.

Impulsentscheidung

Eine Entscheidungsform mit ebenfalls wenig kognitivem Aufwand sind impulsive Entscheidungen.
Bei Impulsentscheidungen treffen Menschen aus einer spontanen Situation heraus eine Entscheidung. Man hat Hunger, es riecht gut an einer Currywurstbude und man kauft sich eine Currywurst mit Pommes. Zahlreiche Angebote und ganze Branchen bauen auf derartige Konsumentscheidungen und leben davon. Sogenannte Impulsartikel finden sich beispielsweise als Alkohol, Knabbereien, Zigaretten und Süßigkeiten an den Warteschlangen vor Kassen und setzen auf Impulsentscheidungen.

Folgende Abbildung stellt die Arten von Entscheidungen dar.

Natürlich sind Menschen unterschiedlich und die Übergänge zwischen den Arten von Entscheidungen fließend. Dazu der nächste Abschnitt.

Entscheidungen: Individuelle Unterschiede und Übergänge

Wichtig in diesem Kontext ist, dass die Entscheidungsformen fließende Übergänge haben, also keine festen Grenzen gezogen werden können. Oft wird man auch eine Entwicklung hin zur Automatisierung von extensiven Entscheidungen über limitierte Entscheidungen bis hin zu automatisierten Entscheidungen finden können. Beim Erlernen des Autofahrens lässt sich dies gut beobachten: Anfangs sind die Entscheidungen extensiv, die Gedanken zu Kupplung, Gas, Schaltung, Schulterblick ganz bewusst und umfangreich. Später werden die Entscheidungen limitiert. Der Fahrende macht sich nicht mehr in jeder Situation Gedanken zu allem, die Aufmerksamkeit wird zunehmend von den Entscheidungen abgezogen. Später sind die meisten Entscheidungen automatisiert. Der Schulterblick und das Schalten erfolgen dann ohne bewusste Aufmerksamkeit.
Gleiches gilt oftmals auch für Entscheidungen im wirtschaftlichen Kontext, etwa Konsumentscheidungen. So wird nach einem Umzug ein Neuling in einer Stadt vielleicht noch relativ extensiv recherchieren und überlegen, wenn er abends in ein Restaurant gehen möchte. Bald wird diese Person aber ein festes Set an Restaurants kennen und nur noch begrenzt überlegen, in welches aus diesen bekannten Restaurants er geht. Das kann bis zur vollkommenen Automatisierung gehen, dass die Person ganz selbstverständlich jeden Freitag Abend zu einer Stammkneipe geht.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass sich einzelne Personen unterscheiden, wie viele Gedanken sie sich bei Entscheidungen machen. Manche Personen haben die Neigung, sich sehr umfangreiche Gedanken zu machen, auf jeden Fall die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Andere Personen entscheiden eher schnell und aus dem Bauch heraus. Diese Persönlichkeitseigenschaft nennt sich „Need for Cognition“. In der Anwendung ist es daher zweckmäßig diese Variable bei Zielgruppen zu erheben, um die Marketingmaßnahmen darauf auszurichten.

Fazit: Auch bei den relativ aufwändigen extensiven Entscheidungen ist der Mensch noch weit von den Annahmen des hom*o oeconomicus entfernt. Zudem sind diese Entscheidungen vergleichsweise sehr selten. Bei anderen wesentlich häufigeren Entscheidungsformen, wie limitierten Entscheidungen, automatisierten Entscheidungen oder Impulsentscheidungen trifft das rationale Modell des hom*o oeconomicus umso weniger zu.

Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.

Entscheidungen: Literatur

Aktuelle Literatur-Tipps zu Entscheidungen.

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Das nächsten Kapitel stellt exemplarisch Beispiele für irrationales Entscheidungsverhalten bei Menschen vor.

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